07g) Aus dem Protokoll der fünften Sitzung des Thüringen-Ausschusses über Begrüßungsflugblatt und -kundgebung
Nr. 7g
4. Juli 1945
Aus dem Protokoll der fünften Sitzung des Thüringen-Ausschusses über Begrüßungsflugblatt und -kundgebung
Anwesend:
die Mitglieder
KPD
Brumme (Vorsitzender)
Eyermann
Günther
SPD
Hoffmann
Böhme
Dem. Zumhasch
Zentr. Jul. Wolf
Müller (Sekretär)
von der Regierung
Regierungsdirektor Busse
Regierungsdirektor Dr. Gaertner
Regierungsdirektor Dr. Kolter
Regierungsdirektor Moog
Regierungsdirektor [Walter]
Wolf
Abwesend:
die Mitglieder Dr. Paul – Gera
Häser – Jena
Dr. Hilpert
Frau Zajac-Frölich
Tagesordnung:
1. Bericht zur Lage
2. Landesverwaltungsordnung
3. Verschiedenes
Kam. Brumme
eröffnet gegen 18 Uhr die 5. Sitzung des Thüringen-Ausschusses, begrüßt die Erschienenen und verliest die Tagesordnung. Da Einwendungen gegen die Tagesordnung nicht erhoben werden, führt er zu Punkt 1 der Tagesordnung etwa folgendes aus:
Wir haben vor einigen Wochen im Rundfunk gehört, daß die Demarkationslinie zwischen der sowjetischen Zone und der amerikanischen und englischen Zone auf eine bestimmte Linie festgelegt worden sei. Diese verlief von Lübeck, Hannover, an der östlichen Grenze Braunschweigs entlang zur Westgrenze der Provinz Sachsen, an der Westgrenze Thüringens vorbei bis zur bayerischen Grenze. Wir konnten daraus entnehmen, daß sich diese Linie mit einigen Provinz- oder Landesgrenzen decken soll. Damals haben wir diese Grenzziehung noch etwas ungläubig aufgenommen. Vielleicht wäre es richtiger gewesen, wenn wir uns schon seinerzeit ernsthaft mit einer evtl. Besetzung durch die Rote Armee beschäftigt und auch dementsprechende Vorbereitungen getroffen hätten. Leider ist das nicht in ausreichendem Maße geschehen. Bis zuletzt waren wir im Ungewissen, ob diese Besetzung überhaupt erfolgen würde. Die Bevölkerung hat vor der Roten Armee Furcht gehabt, weil die wildesten Gerüchte ausgestreut worden sind; wir haben versucht, diesen entgegenzutreten. Nun ist die Besetzung durch die Rote Armee doch etwas überraschend gekommen. Heute sind in Weimar schon richtiggehende Truppen einmarschiert, nicht nur Voraustruppen, wie es in den letzten Tagen der Fall war. Allerdings mußten wir feststellen, daß zunächst noch ein reger Wechsel innerhalb des ganzen Truppenbereichs stattfindet, z. B. haben die verschiedenen Kommandeure gewechselt, Generäle sind hier gewesen und haben die Unterkunftsmöglichkeiten in Augenschein genommen, haben sich aber mit anderen Dingen gar nicht näher befaßt. Von unserer Seite sind auch Versuche unternommen worden, direkt mit ihnen in Kontakt zu kommen. Leider ist das bisher nicht recht geglückt. Soweit mir bekannt ist, hat weder Dr. Brill selbst etwas erreichen können, noch hat Dr. Behr gewußt, woran er mit den Kommandeuren ist. Abgesehen von der Unterbringungs- und Verpflegungsfrage konnten mit ihnen keine weiteren Abmachungen getroffen werden. Auch wir sind nicht recht mit den Truppen der Roten Armee in Berührung gekommen. Ich selbst habe das bedauert, denn vielleicht hätten wir gerade
dadurch etwas mehr erreichen können, wenn es uns von vornherein gelungen wäre, den richtigen Kontakt zu den Voraustruppen bzw. zu den Kommandeuren der Roten Armee zu erhalten. Vielleicht wäre vieles reibungsloser gegangen und hätte sich manches in die Wege leiten lassen. Ich hatte Gelegenheit, der Besetzung durch die Rote Armee in Gera beizuwohnen. Dort hat man mit den Voraustruppen Beziehungen angeknüpft, man hat gleich die Verbindung mit dem betreffenden Kommandeur erhalten und hat für den nächsten Tag schon eine Begrüßung der Truppen der Roten Armee in die Wege geleitet. Oberbürgermeister Dr. Paul und Landrat Drechsler gewannen sofort die Sympathie der Kommandeure. Es wurde verhandelt über die Unterbringung, die Verpflegung, und alles wurde gleich in die richtigen Bahnen geleitet, so daß keine größeren Umstände für die Bevölkerung in Gera entstanden sind. Oberbürgermeister Dr. Paul hatte schon, bevor größere Teile der Roten Armee ankamen, die Bevölkerung informiert. Als am Montag früh dann der Einzug der ersten Abteilung erfolgte, wurde die Rote Armee durch die Bevölkerung herzlich begrüßt. Man hatte auf dem Marktplatz eine Kundgebung veranstaltet, auf der der Oberbürgermeister sprach und der russische Kommandeur eine kurze Antwort gab. So hat man es also erreicht, daß die Behörden in Gera gleich mit der Roten Armee in richtige Fühlung gekommen sind. Nach der Begrüßungskundgebung wurden die Behörden für diesen Tag geschlossen und offizieller Feiertag gemacht. Die Sirenen gingen, und die Bevölkerung war auf den Straßen, so daß die Truppen der Roten Armee wirklich den Eindruck hatten, daß die Bevölkerung Geras mit dem Nazismus gebrochen hat und die Rote Armee als Befreier begrüßte. Dagegen hat mir das Verhalten der Weimarer Bevölkerung beim Einzug der Roten Armee nicht gefallen. Allerdings konnte man von Weimar, von diesen Beamten, die doch zum größten Teil naziverseucht sind, nichts anderes erwarten. Vielleicht hätte man von Seiten der Behörden sofort die Fühlung aufnehmen können. Leider haben mir Dr. Brill und Dr. Behr gesagt, daß das nicht ihre Aufgabe wäre, sondern die des Thüringen-Ausschusses und des Anti-Nazi-Komitees. Ich sowie Herr Blaicher
vom Anti-Nazi-Komitee haben dann versucht, an den Kommandeur heranzukommen. Leider ist uns das gestern nachmittag nicht geglückt. Ebenso scheiterte heute vormittag ein gleicher Versuch bei einem General und einem Oberleutnant. Der Oberleutnant vertrat die Ansicht, daß die Bevölkerung machen sollte, was sie für richtig hält. Sie wollten nur mit den Behörden verhandeln. Aus diesem Verhalten haben wir entnommen, daß die Befehlshaber der Roten Armee der deutschen Bevölkerung ziemlich viel freie Hand lassen wollen. Sie haben gesagt, daß die Abhaltung einer Kundgebung unsere Sache sei. Wir müssen jetzt dafür sorgen, daß das deutsche Volk mit dem Nazismus bricht, daß es zeigt, daß es heraus ist aus der Lügenpropaganda, die die Nazis getrieben haben. Sie haben sicher nichts dagegen, daß jetzt eine Zeitung erscheint. Sie haben sich gewundert, daß noch kein Kino für die deutsche Bevölkerung eröffnet ist. Als ihnen angetragen wurde, das Theater für die Truppen der Roten Armee spielen zu lassen, erwiderten sie, daß sei für die Rote Armee nicht wichtig, wir sollten es für die deutsche Bevölkerung spielen lassen. Wir ersehen daraus, daß sie in kultureller Beziehung mehr zugestehen, als das bei den Amerikanern der Fall war, die uns stets Hindernisse in den Weg legten. Auch nach dem, was mir in bezug auf die Wohnungsfrage zu Ohren gekommen ist, haben sich die Soldaten der Roten Armee zurückhaltend und bescheiden gezeigt. Sie wollen Kasernen haben und einige Wohnungen in deren Nähe. Sie wollen jedoch keine Wohnungen requirieren, sondern es den deutschen Behörden überlassen, solche Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Ebenso ist es bei ihrer Einquartierung im „Elefant“. Sie zeigen auch hier, daß sie keine großen Bedürfnisse haben. Man hat überhaupt bei den Truppen der Roten Armee den Eindruck, daß es sich nicht
um eine Paradearmee, sondern um eine wirklich kämpfende Truppe handelt, die hier nur vorgeschickt ist, um den Teil der Besatzungszone, die ihr zugesprochen ist, zu besetzen. Für uns als Thüringen-Ausschuß dreht es sich jetzt darum, zu entscheiden, ob wir es bei dem Begrüßungsflugblatt
bewenden lassen sollen oder ob es nicht ratsamer ist, daß wir vom Thüringen-Ausschuß aus zusammen mit den anderen Stellen eine offizielle Begrüßung des Kommandeurs bzw. der Roten Armee stattfinden lassen. Ich habe darüber mit Dr. Brill und Dr. Behr gestern gesprochen. Sie waren dafür, daß wir eine Kundgebung auf dem Fürstenplatz stattfinden lassen, an der die Regierung, der Stadtvorstand, die Stadtverordneten, der Landrat, der Thüringen-Ausschuß und das Anti-Nazi-Komitee in Weimar teilnehmen. Dr. Brill erklärte sich bereit, die Begrüßungsansprache zu halten. Er sagte, daß es aber ganz gut sei, wenn auch der Vorsitzende des Thüringen-Ausschusses sprechen würde. Ich weiß nicht, ob auch Dr. Behr und der Vorsitzende des Anti-Nazi-Komitees in Weimar die Absicht haben, das Wort zu ergreifen. Der Kommandeur wird dann die Begrüßungsansprache beantworten. Wir müssen die Bevölkerung Weimars von der Abhaltung der Kundgebung in Kenntnis setzen. Vielleicht nehmen auch die Gewerkschaften daran teil, so daß die Rote Armee bzw. ihre Kommandeure doch immerhin den Eindruck erhalten, daß Weimar nicht so verstockt ist, wie es von außen scheint. Wir müssen uns darüber klar sein, daß sie, vom Osten herkommend, nachdem sie die eindrucksvolle Begrüßung in Gera und in anderen Städten erlebt haben, sich ein Urteil über die Bevölkerung der betreffenden Stadt bilden. So wird es auch in Weimar der Fall sein. Je eher und je mehr wir in dieser Hinsicht Beiträge leisten, um so günstiger wird sich meiner Meinung nach das Verhältnis zwischen der Bevölkerung Weimars und der Roten Armee gestalten. Wie auch Dr. Behr in seinem Aufruf sagt, sind wir uns klar darüber, daß die Rote Armee eine disziplinierte Armee ist, die den Hauptanteil an der Befreiung des deutschen Volkes von der Nazi-Pest und der Hitler-Diktatur hat. Wir begrüßen sie voll Vertrauen und Hoffnung. Meiner Meinung nach ist es unsere Pflicht, daß wir die Rote Armee herzlich aufnehmen. Ich möchte deshalb meinen Vorschlag, eine Begrüßungskundgebung auf dem Fürstenplatz stattfinden zu lassen, hier zur Diskussion stellen.
Kam. Eyermann
billigt sowohl den Vorschlag des Kam. Brumme betreffend die Abhaltung der Begrüßungskundgebung für die Rote Armee, als auch die Formulierung des Flugblattes. Er betont, daß jeder Deutsche, der Antifaschist sein will, sich mit seinem Inhalt einverstanden erklären kann. Er schlägt eine Abstimmung hierüber vor.
Regierungsdirektor Dr. Kolter
hält die Abstimmung nicht für notwendig. Er betrachtet das Veranlaßte als eine politische Selbstverständlichkeit.
Kam. Günther
spricht sich für eine Abstimmung aus.
Kam. Hoffmann
beanstandet, daß den Mitgliedern des Thüringen-Ausschusses das Flugblatt bis jetzt noch nicht zugegangen ist. Er weist daraufhin, daß solche Aufrufe, wenn sie mit „Thüringen-Ausschuß“ unterschrieben sind, sämtlichen Mitgliedern vor der Verbreitung zur
Genehmigung vorgelegt werden müssen; anderenfalls müßten sie mit „Vorstand des Thüringen-Ausschusses“ unterschrieben werden.
Kam. Müller
liest das Flugblatt vor.
Kam. Zumhasch
berichtet, daß, nachdem man am Montag das Flugblatt des Kam. Dr. Paul
gesehen habe, beschlossen worden sei, etwas Ähnliches herauszugeben. Weiter habe er dann von der Sache auch nichts gehört. Im übrigen unterstützt er den Antrag des Kam. Hoffmann betreffend die Vorlage eines Flugblattes vor seiner Herausgabe.
Kam. Brumme
erklärt, daß es infolge der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen sei, allen Mitgliedern das Flugblatt vor seiner Verbreitung vorzulegen. Er habe angenommen, daß die Mitglieder mit seinem Inhalt einverstanden seien. In Zukunft werde er den Antrag berücksichtigen.
Kam. Günther
schlägt vor, über die Herausgabe des Flugblattes nachträglich abzustimmen. Er fragt an, wann die Kundgebung stattfinden und wie sie bekanntgegeben werden soll.
Kam. Brumme
berichtet, daß er diese Kundgebung in einer Besprechung mit Dr. Brill und Dr. Behr schon für gestern in Aussicht genommen hatte. Man hätte aber mit der Roten Armee keine Fühlung bekommen. Die eigentlichen Dienststellen sollten wohl auch erst am 7. oder 8. Juli kommen. Er schlägt vor, zunächst erst einmal die Billigung des Flugblattes zu erledigen und bittet diejenigen, die das Flugblatt billigen, die Hand zu erheben.
Die Abstimmung ergibt: Einstimmig angenommen.
Kam. Hoffmann
stellt fest, daß zwischen Dr. Brill, Dr. Behr und Kam. Brumme schon verabredet sei, daß die Begrüßungskundgebung im Einvernehmen mit der Roten Armee auf dem Fürstenplatz stattfinden solle, sobald eine dahingehende Vereinbarung mit dem Stadtkommandanten erzielt worden ist. Er bittet, eine Abstimmung darüber herbeizuführen.
Die Abstimmung ergibt: Einstimmig angenommen.
Regierungsdirektor Busse
erklärt, man müsse unterscheiden zwischen dem, was war und dem, was kommt. Er erinnert an den Einzug der Amerikaner und die Art, wie sie die Regierung eingesetzt haben und mit welch spürbarer Kälte sie sich den Leuten gegenüber verhalten hätten,
die die Geschicke des Landes fuhren sollten. Er glaubt, daß sich die Rote Armee in dieser Beziehung anders verhalten wird. Die Russen sind ganz andere Menschen als die Amerikaner. Sie sind ein urwüchsiges Volk, das noch nicht von der Kultur beleckt ist. Das zeigt sich besonders darin, daß sie sich wie Kinder über jedes glänzende Schmuckstück und bunten Flitter freuen. Auf die Orden, die sie an ihren Uniformen tragen dürfen, sind sie besonders stolz. Auf diese Mentalität müssen wir selbstverständlich Rücksicht nehmen und uns entsprechend einstellen. Ein solches Verhalten wird uns reichlich Zinsen bringen. So ist in einigen von der Roten Armee besetzten Landesteilen bereits eine Landesregierung gebildet worden. Auch wir können damit rechnen, daß wir bei geschickter Einstellung in der jetzigen Zusammensetzung von der Roten Armee sanktioniert werden.
Regierungsdirektor Dr. Gaertner
erzählt von dem Besuch, den ihm gestern ein Journalist aus Moskau gemacht hat. Während der Verkehr mit den Amerikanern immer steif und unnahbar gewesen sei, habe beim Besuch des Moskauer Journalisten sofort eine menschliche Atmosphäre Platz gegriffen. Sie hätten sich über alle möglichen Wirtschaftsfragen unterhalten, der russische Journalist habe sich außerordentlich interessiert gezeigt. Er habe unter anderem zum Ausdruck gebracht, daß man nicht daran dächte, die deutsche Wirtschaft zu kommunisieren, man lege den größten Wert darauf, die deutsche Wirtschaft sobald als möglich wieder in Gang zu bringen. Unsere dahingehenden Bemühungen werde man weitestgehend unterstützen. Der Journalist habe sich auch nach der Zusammensetzung der Regierung erkundigt und die Notwendigkeit einer zentralen Lenkung und Einflußnahme anerkannt.
Kam. Eyermann
tritt der weit verbreiteten Auffassung entgegen, daß die Schutthaufen von den Nazis verschuldet worden seien und nun auch von diesen allein weggeräumt werden müßten. Wenn die Sache den richtigen Schwung bekommen solle, sei es nötig, daß alle Volksgenossen sich am Aufräumen beteiligen. Er stehe auf dem Standpunkt, daß alle Deutschen die Schuld mittrügen.
Kam. Hoffmann
führt aus, daß, während die Amerikaner und Engländer in jedem Deutschen ihren Feind sahen, die Rote Armee einen Unterschied macht zwischen Faschisten und Antifaschisten. Er weist dann auf den Unterschied der Arbeiterschaft in Gera und Weimar hin. Während in Gera eine klassenbewußte Arbeiterschaft vorhanden ist, ist das in Weimar nicht der Fall. Dies würde sich bei der geplanten Begrüßungskundgebung der Roten Armee auswirken. Er fürchtet, daß bei einer Kundgebung, die nicht offiziell vom Stadtvorstand und von der Landesregierung veranstaltet wird, zahlenmäßig nicht die Arbeitermassen teilnehmen, die erforderlich sind, um der Roten Armee gegenüber den gewünschten Eindruck zu machen. Er hält deshalb zunächst die offizielle Veranstaltung für notwendig. Vielleicht ließe sich nebenher
noch eine Begrüßungskundgebung vom Thüringen-Ausschuß und Anti-Nazi-Komitee aus veranstalten.
Regierungsdirektor Wolf
teilt die Ansicht des Kam. Hoffmann, zunächst die offizielle Begrüßungskundgebung abzuhalten. Außerdem hält er für notwendig festzustellen, was die Amerikaner bei ihrem Abzug an Einrichtungsgegenständen usw. mitgenommen haben. Vielleicht sei es möglich, einige Gegenstände mit Hilfe der Roten Armee zurückzubekommen.
Regierungsdirektor Moog
unterstützt ebenfalls den Antrag auf Abhaltung einer offiziellen Begrüßungskundgebung. Er weist auf die besondere Mentalität der Weimarer Bevölkerung hin, bei der nach seinen seit 1906 gemachten Erfahrungen mit einer größeren Beteiligung nur zu rechnen sei, wenn die Kundgebung einen offiziellen Charakter trägt. Er schlägt vor, daß zu der Begrüßungskundgebung gemeinsam von allen Weimarer Behörden, dem Thüringen-Ausschuß und dem Anti-Nazi-Komitee aufgerufen wird.
Kam. Günther
teilt die Ansicht des Regierungsdirektors Moog nicht. Er ist sehr wohl der Ansicht, daß auch eine nur vom Thüringen-Ausschuß und Anti-Nazi-Komitee veranstaltete Begrüßungskundgebung den gewünschten Erfolg haben wird. Er stützt seine Ansicht auf seine seit 1917 in Weimar gemachten Erfahrungen. So hätten z. B. an einer seinerzeit von der SPD und KPD gemeinsam anberaumten Veranstaltung 6 bis 7000 Arbeiter teilgenommen.
Kam. Zumhasch
schlägt vor, mit der Kundgebung noch einige Tage zu warten. Die Weimarer Bevölkerung zeigt noch eine gewisse Scheu den Russen gegenüber. Das sieht man an den leeren Straßen. Das würde sich auf die Kundgebung ungünstig auswirken. Wenn sich diese Furcht vor den Russen wieder gelegt haben wird, werden die Leute auch wieder auf die Straßen gehen und die Kundgebung besuchen. Beim Einmarsch der Amerikaner hat sich die Weimarer Bevölkerung ganz anders verhalten. Sie ging auf die Straßen, um ihre Neugier zu stillen. Und doch haben die Amerikaner das ihnen entgegengebrachte Vertrauen mißbraucht, indem sie bei ihrem Abzug Autos und ganze Wohnungseinrichtungen mitgenommen haben.
Kam. Brumme
greift diesen Gedanken auf und schlägt vor, mit der Kundgebung noch einige Tage zu warten, bis die eigentliche Verwaltung eingetroffen ist. Inzwischen könnte man Handzettel drucken lassen, durch die die Bevölkerung hiervon Kenntnis erhält.
Regierungsdirektor Busse
weist nochmals auf die Zweckmäßigkeit einer offiziellen Kundgebung hin und schlägt vor, diese in möglichst großem Rahmen stattfinden zu lassen. Der Termin hierzu soll gemeinsam von den Herren Dr. Brill, Dr. Behr und Kam. Brumme festgelegt werden. Der Weimarer Bevölkerung soll schon jetzt mitgeteilt werden, daß ½ Stunde nach dem Ertönen der Sirenen die Veranstaltung auf dem Fürstenplatz stattfindet.
Kam. Zumhasch
erweitert den Vorschlag des Regierungsdirektors Busse dahingehend, daß er vorschlägt, die Inkenntnissetzung der Weimarer Bevölkerung durch Handzettel oder durch Lautsprecherwagen erfolgen zu lassen.
Kam. Brumme
stellt diesen Vorschlag zur Abstimmung.
Die Abstimmung ergibt: Einstimmig angenommen.
[…]
Engelmann
als Protokollführerin
Quelle: Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar , NL Johannes Brumme, Nr. 3, Bl. 148r-159r, hier Bl. 148r-157r; Abdruck bei Wahl: „Thüringen-Ausschuß“ (1997/D), Dok. 9, S. 91-98, hier S. 91-97.
Allgemeine Daten:
Titel:
07g) Aus dem Protokoll der fünften Sitzung des Thüringen-Ausschusses über Begrüßungsflugblatt und -kundgebung