Unser Land hat eine neue Zivilverwaltung erhalten. Sie ist getragen von dem Vertrauen der Sowjet-Militäradministration. In ihrer Zusammensetzung verkörpert sie das demokratische Prinzip. Ihr politisches Ziel ist:
Schaffung einer neuen Demokratie und damit Ausmerzung des Faschismus in jeglicher Gestalt
Wirtschaftlich wollen wir näher an das Leben und seine Nöte heran. Im Vordergrund steht die restlose Einbringung der Ernte.
Die unter dem Nazismus bis in die letzte Ecke ihrer Scheune hinein bevormundeten Bauern und Landwirte müssen wieder freier gestellt werden. Der zu ihrer Überwachung und Lenkung aufgeblähte Beamtenapparat wird nicht nur aus Gründen der Ersparnis, sondern vor allem deswegen zusammenschrumpfen, um Bauern und Landwirte wieder zur freiwilligen Mitarbeit und Umgestaltung heranzuziehen. Die Wirtschaftsverbände, welche den Weg vom Erzeuger zum Verbraucher verlängerten, werden allmählich abgebaut.
Die Industrie muß wieder in Gang gebracht und der Privatinitiative Raum gegeben werden. Die früher selbständig gewesenen Industrie- und Handelskammern werden von den Einengungen der Gauwirtschaftskammern befreit werden. Dieselbe Befreiung erhält das Handwerk.
Auf dem Gebiete der Volks-, insonderheit Jugenderziehung muß eine Reinigung der Ideenwelt sowie deren Träger erfolgen. Das Erziehungswesen wird demokratisiert. Unser erstrebtes Ziel ist, die deutsche Kultur wieder als gleichberechtigt anerkannt zu sehen. Das setzt allerdings voraus, daß wir zuvor die kulturellen Leistungen der anderen Völker kennen und gebührend achten lernen. Der von den Nazis entfesselte Krieg hat unendliche Werte unseres Volksvermögens zerschlagen. Die „brennende Erde“, in welche der letzte ohnmächtige Haßschrei der Nazis das eigene Mutterland verwandeln wollte, liegt mit seinen Brandwunden jetzt offen vor unserem Blick. In unserer Not hilft kein Stöhnen, aus ihr führt kein Rückwärtsblicken hinaus. Arbeit, eiserner Wille, der Drang nach Vorwärts müssen die Träger unseres Lebens sein.
In der tiefsten Notzeit unserer engeren Heimat haben wir die Verwaltung Thüringens übernommen.
Männer und Frauen,
Jungen und Mädel des Landes:
Packt alle mit an! Zieht mit uns am selben Strang! Wir haben dasselbe Ziel! Wir wollen heraus aus der Not!
Präsident des Landes Thüringen
Dr. Rudolf Paul
Demokratische Partei
1. Vizepräsident2. Vizepräsident3. Vizepräsident
Ernst BusseDr. Georg AppellDr. Max Kolter
Kommunistische Partei Sozialdemokratische ParteiZentrumspartei
Quelle: Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, Plakat- und Flugzettelsammlung, Nr. 101 (früher S 86/2) u. Nr. 309 (früher S 86/1) (gedrucktes Plakat).
Allgemeine Daten:
Titel:
13d) Aufruf des Präsidiums der Landesverwaltung
Signatur(en):
LATh-HStA Weimar, Plakat- und Flugzettelsammlung, Nr. 101