14d) Memorandum des stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Heinrich Hoffmann über den Thüringen-Ausschuß
Nr. 14d
30. Juli 1945
Memorandum des stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Heinrich Hoffmann über den Thüringen-Auschuss
T h ü r i n g e n – A u s s c h u ß.
Der Präsident des Landes Thüringen Dr. Paul hat in seiner kurzen Antrittsrede vor dem Thür.-Ausschuß den Wunsch geäußert und die Notwendigkeit begründet, daß der Thür.-Ausschuß aktiver als bisher an der Arbeit der Regierung beteiligt werden soll.
Nach den bisherigen Erfahrungen, die wir im Thür.-‚Ausschuß gesammelt haben, ist eine Blutauffrischung und die Entwicklung einer eigenen Initiative dringend notwendig. Der Thür.-Ausschuß kann nach unserer Überzeugung wirklich praktische Arbeit leisten, wenn seine Zuständigkeit klar umgrenzt wird und er sich eine eigene Geschäftsordnung gibt, die klare Verhältnisse schafft.
Es ist unmöglich in der gegenwärtigen Zeit positive Aufbauarbeit leisten und die Regierung mit Rat und Tat unterstützen zu wollen, wenn man höchstens 1 Mal in der Woche auf ein paar wenige Stunden zusammen kommt. Voraussetzung für jede positive Mitarbeit ist, daß die Mitglieder des Thür.-Ausschußes ausreichend Zeit zur Durchführung der Regierungsvorlagen und der sonstigen immer neu aufkommenden Probleme zur Verfügung hat. Nur dann kann der Thür.-Ausschuß auch eigene Entwürfe und Anträge ausarbeiten.
Wir schlagen deshalb vor:
Die Mitglieder des Präsidiums des Thür.-Ausschuß dürfen zur Wahrung ihrer Selbständigkeit nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Regierung stehen, d.h. Beamte und Angestellte können nicht Mitglieder des Präsidiums des Thür.-Ausschußes sein.Die Tagungen des Thür.-Ausschußes müssen häufiger aller bisher stattfinden und nach Möglichkeit ganze Tage dauern.Der Thür.-Ausschuß bedarf zur praktischen Durchführung der ihm obliegenden Aufgaben einer zahlenmäßigen Erweiterung.Das Verhältnis zwischen der Regierung und dem Thür.-Ausschuß bedarf einer Klärung.
Der Thür.-Ausschuß wird festzustellen haben, daß die Wünsche von drei der vier Parteien des Thür.-Ausschuß bei der Bildung der Regierung Dr. Paul nicht berücksichtigt worden sind.
Er wird ferner festzustellen haben, daß die Umbesetzung von Landesämtern und anderen wichtigen Posten in der Verwaltung des Landes nicht im Einvernehmen mit dem Thür.-Ausschuß erledigt worden sind.
Ebenso sind wichtige Hoheitsfragen, wie z.B. die Schaffung eines neuen Wappens, ohne Befragung des Thür.-Ausschuß erledigt worden.
Überhaupt ist dem Thür.-Ausschuß noch kein Programm der Regierung Dr. Paul vorgelegt und entwickelt worden, so daß wir z.Zt. eine fast autokratische Regierungstätigkeit feststellen können.
So ist z.B. die Rücknahme der Verordnung über die Reinigung der Verwaltung von nazistischen Elementen eine direkte Brüskierung des Thür.-Ausschuß, denn dieser hat die Richtlinien des Genossen Dr. Brill anerkannt und gutgeheißen. Dasselbe gilt für die Begrenzung der Vollmacht, die der Regierungspräsident Dr. Paul dem Generalbevollmächtigten für die Reinigung der Wirtschaft von nazistischen Elementen Dr. Heißmann ausgestellt hat.
Auch die Eingriffe in den bisherigen Verwaltungsaufbau des Landes, die von der Regierung Dr. Paul inzwischen vorgenommen worden sind und die Dezentralisation wirtschaftlicher Selbstverwaltungskörperschaften (Industrie- und Handelskammer), sind ohne Wissen und Wollen des Thür.-Ausschuß vorgenommen worden.
Der Thür.-Ausschuß wird sich ferner vorbehalten müssen, ein Wort bei der Festsetzung der Beamtengehälter des Landes mitzusprechen, wie es überhaupt erforderlich sein wird, daß er zu allen Fragen der Tagespolitik gehört werden muß und Stellung dazu nimmt.
Die Mitglieder des Thür.-Ausschuß sind aber nur befähigt eine solche sachliche, einwandfreie Mitarbeit zu leisten, wenn sie:
mit entsprechenden Ausweisen versehen, völlige Bewegungsfreiheit im Lande haben und sich durch eigene in Augenscheinnahme über die Verhältnisse im Lande orientieren können.wenn ihnen ihre eigene Wohnung gesichert wird und sie in der Ernährung den Schwerarbeitern gleichgestellt werden.
Es wird Aufgabe des Präsidiums des Thür-Ausschuß sein, die vorstehend aufgeworfenen Fragen im Einvernehmen mit dem Präsidium des Landes Thüringen und der sowjetischen Militär-Administration zu lösen.
Weimar, am 30. Juli 1945
H. Hoffmann
Quelle: Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, Bezirksparteiarchiv der SED Erfurt, V/6/2, n. fol. (ms. Ausfertigung).
Allgemeine Daten:
Titel:
14d) Memorandum des stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden Heinrich Hoffmann über den Thüringen-Ausschuß